Losers and Winners
Arbeit gehört zum Leben

DOKU | FILM | KINO

Deutschland 2006
96 Min (DT, EN, CHI)

Regie:  Ulrike Franke, Michael Loeken

Verleih: GMfilms

Für Bildungs-Einrichtungen:

Der Film dokumentiert die Demontage einer gigantischen Industrieanlage und die Geschichten entlang des Verschwindens: Wie die Koker im Pott Ankunft und Arbeitsweise der Chinesen erleben, was sie fühlen, wenn sie mit der modernsten Kokerei der Welt auch ihren Stolz schwinden sehen, aber auch die Belastungen und Konflikte in der 60-Stunden-Woche der chinesischen Arbeiter fernab ihrer Heimat und ihrer Familien, zwischen Zukunftseuphorie und Zweifeln.


TRAILER


AWARDS


FESTIVALS

2023  — Ruhrtriennale / Filmretrospektive loekenfranke / Bochum

2009 — 4. DOC À TUNIS / Tunis, Tunesien

2009 — 57. Trento Film Festival / Trento, Italien

2008 — 11. CinemAmbiente – Environmental Film Festival / Turin, Italien

2008 — SIEFF / 14. Sardinia International Ethnographic Film Festival / Nuoro, Italien (Preis)

2008 — One World Romania – Documentary Film Festival / Bukarest, Rumänien

2008 — 3. Guth Gafa – International Documentary Film Festival / Donegal, Irland

2008 — 6. Gdańsk DocFilm Festival – Dignity and Work / Danzig, Polen

2008 — Maailmafilm – Tartu World Film Festioval / Tartu, Estland

2008 — Deutsches Filmfestival Tel Aviv / Tel Aviv, Israel

2008 — Dialëktus Fesztivál / Budapest, Ungarn

2008 — ZAGDOX / ZagrebDox – International Film Festival / Zagreb, Kroatien

2008 — BIFFES / 2. Bengaluru International Film Festival / Bangalore, Indien

2007 — 7. WATCH DOCS – International Film Festival Warschau / Warschau, Polen (Preis)

2007 — German Film Festival / Dublin, Irland

2007 — 10. Festival of German Films / London, GB

2007 — Týden Geografie / Ústí nad Labem, Tschechien

2007 — 4. Verzió Film Festival / Budapest, Ungarn

2007 — Jeden svet / 8. Medzinárodny festival documentárnych filmov / Bratislava, Slovakei

2007 — Leiden International Film Festival / Leiden, Niederlande

2007 — 4. World Film Festival of Bangkok / Bangkok, Thailand

2007 — Astra Film Fest / Sibiu International Film Festival / Sibiu, Rumänien

2007 — 5. Festival Internacional de Cine de Morelia / Morelia, Mexiko

2007 — DOCNZ / International Documentary Film Festival / Neuseeland

2007 — German Currents Film Festival / Los Angeles, USA

2007 — Festival européen des 4ecrans / Paris, Frankreich

2007 — MIDBO / 9. Muestra Internacional Documental / Bogotá, Kolumbien

2007 — 7. Festival de Cine Alemán / Buenos Aires, Argentinien

2007 — Stranger Than Fiction / Documentary Film Festival / Dublin, Irland

2007 — 1. Hachenburger Filmfest (Preis)

2007 — Dokufest / International Documentary and Short Film Festival / Prizren, Kosovo (Preis)

2007 — Fünf Seen Filmfestival / Herrsching

2007 — SilverDocs / Silverdocs Documentary Festival / Silver Spring, USA

2007 — Rooftop Films 2007 / New York, USA

2007 — 2. Pravo Ljudski Film Festival / Sarajevo, Bosnien/Herzegowina

2007 — 9. Festival de cine Alemán / Madrid, Spanien

2007 — DOK.FEST München / 22. Internationales Dokumentarfilmfestival München 

2007 — 4. CROSSING EUROPE / filmfestival linz / Linz, Österreich

2007 — 40. WorldFest / Houston International Film Festival / Houston USA  (Preis)

2007 — Hot Docs 07 / Canadian International Documentary Festival / Toronto, Kanada  (Preis)

2007 — 4. dokumentarfilmwoche hamburg

2007 — CIDF / Chicago International Documentary Film Festival / Chicago, USA  (Preis)

2007 — It’s All True / 12. International Documentary Film Festival / Sao Paulo, Brazil (Preis)

2007 —  LIDF / London International Documentary Film Festival / London, GB

2007 — 9. One World International Human Rights Documentary Film Festival / Tschechien (Preis)

2007 — 33. Internationales Filmwochenende Würzburg / (Eröffnungsfilm)

2006 — GZDOC / Guangzhou International Documentary Film Festival / China

2006 — 17. Kinofest Lünen

2006 —  30. Duisburger Filmwoche

2006 — DOK Leipzig / 49. Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm / (Eröffnungsfilm)


SYMPOSIEN / REIHEN / PUBLIKATIONEN

im Rahmen von

2024 — Filmreihe / Duisburg im Bilde / Duisburg

2018 — Kultursommer 2018 / Industrie und Kultur / Enspel

2018 — Filmreihe / Flöze weltweit / Dortmunder U, Dortmund

2014 — Vorführung und Filmgespräch / Konferenz New Industries / Dortmunder U, Dortmund

2011 — Industrial on Tour / HMKV Hartware MedienKunstVerein / Danzig, Tarnow, Krakow, Bytom und Lodz (Polen)

2010 — Centre of Contemporary Art Znaki Csazu / Torun (Polen)

2009 — Crossing Borders / Universität Hildesheim, Institut für Sozial- und Organisationspädagogik, Hildesheim

2009 — Veranstaltung / Hildesheim Open University

2009 — Reihe / Ethics and Economy / Goethe-Institut, Helsinki (Finnland)

2008 — Vorführung mit Filmgespräch / Arbeit. Kultur. Fest / DGB-Kultursommerfestival

2008 — Installative Präsentation / Where do you walk today?/ Dortmunder Museumsnacht / HMKV Hartware MedienKunstVerein, Dortmund

2008 — Lectures, Filmvorführungen und Diskussionen / China Tour auf Einladung des Auswärtigen Amtes und des Goethe-Instituts / Beijing und Shanghai (China)

2008 — Elektrische Schatten / Bonner Gesellschaft für China Studien, Bonn

2008 — Ausstellung / Shrinking CitiesKulturstiftung des Bundes, Dortmund

2007 — Wandel der Arbeit / Fachhochschule Potsdam

2007 — visible evidence / Ruhr-Universität Bochum

2007 — AHCR-funded Postgraduate Conference / University of Leeds (England)

2007 — Bildstrecke und Dokumentation / DIE GAZETTE Das politische Kulturmagazin, N° 13

2007 — Maurizio Marinelli / University of Bristol, Centre for East Asian Studies / Bristol (England)

2007 — Goethe-Institut Glasgow / Filmhouse Edinburgh / (Schottland)


PRESSESTIMMEN

„Chinesischer Zukunftsoptimismus, aus den Gesichtern leuchtend und mit Mao-Zitaten täglich angefacht, und europäische Selbstgenügsamkeit, die die Geschichte bestrafen wird – wohl noch nie im Kino konnte man die Symptome einer Zeitwende derart hautnah miterleben wie in dieser bestechend genauen und mit treffender Ironie gewürzten Beobachtung.“ 
Harald Jähner // Frankfurter
Rundschau // 29.11.2006

„Ein großartiges Stück politisch dokumentarisches Erzählkino, das die gegenwärtigen Bedingungen globaler Arbeitsteilung in ungewohnte regionale Perspektive rückt und viele Fragen aufwirft.“  
Silvia Hallensleben // tagesspiegel.de // 13.11.2006

„Denn auch sonst ist es den Filmemachern vor allem durch ihr genaues geduldiges Hinschauen gelungen, die Widersprüchlichkeiten der großen Weltlage immer wieder mit neuen Fragen und Anregungen zu füttern und dabei nie den Blick auf das Konkrete zu verlieren.“  
Silvia Hallensleben / epd-film // Nr. 3/2007

„Formal auf den ersten Blick schlicht, entfaltet der Film seinen Hintersinn erst nach und nach; er geht sein Sujet nicht verbissen an, sondern erzählt in ruhigen Bildern eine nahezu aberwitzige Geschichte und bringt vieles auf den Punkt, was hierzulande politisch und gewerkschaftlich unter den Nägeln brennt.“  
Hans Messias // Filmdienst // Nr. 6/2007


„Reichhaltiger und lebensnaher kann ein Dokumentarfilm kaum sein. Nachvollziehbar, spannend und ehrlich ist der tiefenscharfe, facettenreiche Blick dieses Dokumentarfilms.“  
FBW, Prädikat „besonders wertvoll“ 

„Ein politisches Erzählkino in dokumentarischem Gewand, das den Clash der Kulturen zum Gradmesser globaler ökonomischer Verschiebungen macht.“  
Margarete Wach // filmdienst // Nr. 25/2006

„Ein eindringlicher, stiller und genau beobachteter Film über die Globalisierung und ihre Auswirkungen, ein Werk, das beide Seiten verstehbar macht und das zum Nachdenken anregt.“ 
Joachim Kurz // Kino-zeit.de 

„Desillusionierte Deutschen treffen auf hochmotivierte Chinesen. Mit Feingefühl, detailliertem Blick und Sinn für unfreiwillige Komik verfolgen die Autoren den Abbau.“ 
Nadja Naumann // Mitteldeutsche Zeitung // 26.10.2006

„Losers and Winners ist ein klassischer Dokumentarfilm, ohne Kommentar, in klar gebauten und ruhigen Bildern erzählt, in kluger Erzähldramaturgie, immer übersichtlich, in gelassenem Wechsel von beobachtenden und erzählenden Passagen. Es gelingen den Autoren viele kleine und beredte Beobachtungen, wie sie nur der Dokumentarfilm versammeln kann. Auch im Ganzen gesehen ist der Film ein schöner Beweis, wie wichtig und tragfähig dokumentarische Neugier ist.“ 
Aus der Jury-Begründung // Auszug // Grimme Preis 

„A definitive film portraying the collision of forces driving globalization. It is a complex and deeply thought provoking film.”
Aus der Jury-Begründung // hotDOCS 2007 // Toronto

„Als Ulrike Franke und Michael Loeken von diesem Unternehmen hörten, erkannten sie sofort, welcher weite Blick sich hier auftut – die Globalisierung als Tragödie und Farce in einem.“ 
Knut Elstermann // Berliner Zeitung // 13.04.2007

„Bei der Uraufführung auf dem Leipziger Dokumentarfilmfestival 2006 löste Losers and Winners Bestürzung aus. So überzeugend hatte noch kein Film Deutschland auf der Verliererseite der Globalisierung geortet. Aber Optimismus hat immer etwas Ansteckendes, auch wenn er auf eigene Kosten geht: Auf das „Meer des Lernens“ kann jeder hinausschwimmen.“ Hans-Jörg Rother // Der Tagesspiegel // 13.04.2007

„A historical document of globalization practices, processes and effects, which is highly recommended in classes regarding East-West encounters, cross-cultural understanding, Chinese management and culture, or more generally in any class on contemporary China.“
Dr. Maurizio Marinelli // H-Asia


„Excellent… both a film of subtle ironies and one of enormous cultural contrasts… highly recommended.“
Cliff Glaviano // Educational Media Reviews Online


„Mit ruhigen Einstellungen verfolgt die Kamera von Loeken und Franke, wie die riesige Kokerei Stück für Stück zerlegt wird. Und so wie die Chinesen Wände und Stahlrohre zersägen, verlieren die Deutschen, je näher das Ende der Demontage rückt, an Selbstbewusstsein.“
LuYen Roloff // Der Spiegel // 13.11.08


„Ulrike Franke and Michael Loeken wryly turn their footage of the rising tensions into a poignant account of cross- cultural miscommunications and the emotions involved.“
Massachusetts Museum of contemporary Artdirectors 



„Das Schöne und eigentlich Interessante ist denn auch weniger die kulturelle Kluft, die sich zwischen China und Deutschland hier auftut, sondern die historische, die gleichzeitig sichtbar wird. Industrialisierung trifft auf Post- Industrialisierung, und wer die Gewinner und wer die Verlierer sind, muss sich noch zeigen.“
Barbara Schweizerhof // Welt online // 11.04.07

„Es ist eine Allegorie auf die moderne Welt, in der Kapitalverschiebungen und Arbeitsmigranten die Weltpolitik bestimmen. Subtil und genau beobachtend gelingt es den Filmemachern, zwei verschiedene Welten darzustellen, jede mit ihrer eigenen Arbeitsethik und ihren eigenen Ausbeutungsmechanismen.“
Aus der Jury-Begründung // 9. One World Film Festival // Prag


“The film invites us to reflect on the power of cultural stereotypes and tolerance, and even more importantly, about justice and individual rights under global capitalism. The jury salutes the filmmakers’ craftsmanship, their intellect in choosing an extraordinarily important and timely subject, and their sensitivity in portraying the lives and fates of those affected by colossal economic change.”
Aus der Jury-Begründung // 7. WATCH DOCS // Warschau


STILLS


SYNOPSIS

Mitten im Ruhrgebiet ist der berühmte „Pulsschlag aus Stahl“ verstummt. Kaum merklich erobert die Natur sich Hallen und Industrieanlagen zurück, die Förderbänder stehen still, die Kühltürme sind leer – nach nur acht Jahren Betriebszeit wurde die 1,3 Milliarden DM teure, hypermoderne Kokerei Kaiserstuhl im Dezember 2000 stillgelegt.

Frühjahr 2003: Ein chinesischer Arbeiter im Blaumann geht über das kolossale Werksgelände und malt Schriftzeichen auf Stahlträger und an Wände. Im Dortmunder Norden entsteht ein neuer Mikrokosmos, ein eigenes Stück China – dynamisch und effektiv. Für rund 400 Chinesen wird ein Wohncontainerdorf errichtet – mit Aufenthaltsräumen, eigener Großküche inklusive Riesenwoks und Satellitenschüssel fürs Heimatfernsehen. Hungrig nach Reichtum und Statussymbolen der westlichen Industriestaaten, sind neben dem chinesischen Projektleiter Mo Lishi, einer jungen Übersetzerin und ein paar Köchen unzählige Demontagearbeitern

 nach Deutschland gekommen, um ihrem Heimatland ein weiteres „Souvenir aus Stahl“ zu bescheren. Hoch motivierte Menschen aus einem Niedriglohnland treffen auf finanziell abgesicherte, aber perspektivenlose Arbeiter einer Industrienation – deren einstige Quelle von Macht und Wohlstand installieren sie kurzerhand bei sich zu Hause.

Die Demontage von Kaiserstuhl vollzieht sich in Windeseile, angetrieben durch den permanenten Druck der Konzernleitung und ein paar wenige Prämien: Alle vier Wochen küren die Chinesen die sieben Fleißigsten unter ihnen zum „Arbeiter des Monats“ – das entsprechende Foto mit roter Papierblumenschärpe ziert die Kantinenwände gemeinsam mit einer blumigen, aber immerzu linientreuen, schriftlichen Auszeichnung.

Die deutschen „Stillstandsverwalter“ sehen derweil hilflos mit an, wie ihr Arbeitsplatz in handliche Stücke zerlegt wird: Auf Kaiserstuhl, wo früher bis zu 800 Menschen tätig waren, betreuen nun die letzten dreißig Arbeiter den so genannten Stillstandsbereich – unter ihnen die Elektriker Rainer Kruska und Werner Vogt
Bei den Deutschen, die den Abbau der Anlage logistisch unterstützen sollen, herrscht Skepsis und Distanz gegenüber den ausländischen Kollegen und ihren als leichtsinnig empfundenen Methoden. Die Verständigung ist kompliziert, Missverständnisse an der Tagesordnung. Um 10 Uhr morgens ist bereits die halbe Schicht der deutschen Belegschaft vorbei. In der Frühstückspause unterhält man sich bei Filterkaffee und Stullen über die finanziellen Einbußen im Vorruhestand und spekuliert über Lebenseinstellung, Arbeitsweise und Kochkünste der Chinesen. Die Demontage ist nicht aufzuhalten und führt den Verlust der Industriearbeit in Deutschland, ja in ganz Europa, täglich vor Augen. Für die Arbeiter aus dem Ruhrgebiet ist dies ein tiefer Stich ins Herz, haben sie doch ihr Leben lang als Koker gearbeitet.

Der Arbeitstag der Chinesen ist deutlich länger: Sechzig Stunden in der Woche arbeiten sie, leben genügsam und sparen jeden verdienten Cent für zu Hause: Einige wollen ihren Kindern eine bessere Ausbildung ermöglichen, Liu Guo Heng spart für eine heiß ersehnte, aber kostspielige Hochzeit, der Koch will Aktien seines Arbeitgebers kaufen, an dessen Erfolg er zunehmend glaubt. Doch zunächst gilt es, die Mission in der Fremde zu beenden – ganze eineinhalb Jahre ohne einen einzigen Besuch zu Hause. Chinesisches Fernsehen und seltene Telefonate mit Frau und Kind stellen für die Männer dabei die einzigen Verbindungen in die Heimat dar. „Sag noch einmal Papa zu mir“ heißt es hier, und Tausende von Kilometern entfernt wird dem fehlenden Vater ein Lied vorgesungen. Allesamt leidvolle Versuche, den Nächsten in der Ferne irgendwie nah zu sein.

Deutschland oder auch nur Dortmund kennen zu lernen, dazu fehlt den Chinesen die Zeit und das Geld, denn schon die Busfahrkarte in die Stadt scheint bei einem – gemessen an chinesischem Standard – üppigen Monatslohn von umgerechnet 400 Euro unerschwinglich. Allein der Projektleiter Mo Lishi ist imstande, ab und an in die Stadt zu fahren – vorzugsweise zur Mercedes-Filiale, wo er Stahl in der für ihn schönsten Form bestaunt. „Dieser Wagen ist ‚very good‘, meint er zufrieden und strahlt über das ganze Gesicht. „Den nehm� ich gleich mit nach Hause.“ Sein winziges Kabuff auf Kaiserstuhl, in dem er lebt und arbeitet, hat er längst mit einem Mercedes-Werbeplakat geschmückt, das einen alten und neuen Wagen des deutschen Automobilherstellers zeigt. Davon inspiriert, hat Mo Lishi ein paar persönliche Zeilen geschrieben: Über die einen, die gehen, und die anderen, die kommen und ein verheißungsvolles Leben erwarten. Denn Mo Lishi ist davon überzeugt: Schon bald wird er in einem neuen Wagen einer besseren Zukunft entgegenfahren – so wie ganz China. Bei seinem nächsten Besuch in Deutschland, so Mo Lishi, will er die deutschen Airbus-Fabriken in die Heimat mitnehmen.

Zu Kontakten zwischen den deutschen und chinesischen Arbeitern kommt es kaum, sie belauern sich gegenseitig: Die Arbeitsinstrumente der Deutschen sind Vorschriften und Bestimmungen zu Sicherheit und Umweltschutz, die von den Neuankömmlingen gerne ignoriert werden. Trickreich versuchen sie, diese zu umgehen, schließlich sind die „alten Ausländer“ kaum acht Stunden auf dem Gelände, und was sie nicht sehen, kann nicht geahndet werden. Doch die verbliebenen deutschen Arbeiter pochen auf Kaiserstuhl vehement auf ihr Hausrecht – bis zur bitteren Neige. Fachmännisch kontrolliert Kruska, dass die Chinesen nicht einfach „machen was sie wollen“: Improvisierte Stromanschlüsse werden lahmgelegt, mit Draht aneinander montierte Leitern vom Dach weggezogen und entsorgt, Schweißverordnungen noch zum x-ten Mal zitiert. Es scheint, als könnten die Deutschen nicht loslassen, als wollten sie unbewusst den Abbruch verzögern und sich partout nicht mit dem endgültigen Machtverlust und der Rollenumkehr abfinden. Die Sicht auf die deutsche Genauigkeit im Umgang mit Vorschriften wandelt sich allerdings, als ein chinesischer Arbeiter bei einem Unfall fast zu Tode kommt – „Arbeitspannen“, denen nichts entgegengesetzt wird als Mao-Zitate.

Beim letzten Gang über das zur Trümmerlandschaft mutierte Kokerei-Gelände öffnet Kruska Stromkästen und Türen, drückt mechanisch längst funktionslose Schalter, blickt in ausgeweidete Kabelschächte und bemüht sich, den Schein eines Routinegangs aufrecht zu erhalten. Kruska und seine deutschen Kollegen haben sich verändert in den letzten Wochen des Abbaus: Das siegesbewusst proklamierte „Die werden schon sehen, das funktioniert nicht!“ ist gewichen. Sie sind zunehmend angespannt und traurig, denn mit dem Arbeitsplatz verlieren sie auch ein Stück Heimat. Unsicherheit macht sich breit, was die anstehenden Veränderungen konkret für das eigene Leben bedeuten: Wie beschäftigt man sich, und wie hält man die neue, permanente Nähe zu seiner Frau aus? Noch bevor das Werk ganz demontiert ist, werden Kruska und Vogt in die so genannte „Kurzarbeit 0“, dann in die „Anpassung“ und schließlich in den Vorruhestand versetzt. Alle diese Begriffe umschreiben unzureichend die Tatsache, dass es in dieser Gesellschaft für sie keine Arbeit mehr gibt, sie selbst und ihr ganzes Berufsbild scheinen nicht mehr gebraucht zu werden. Wie sich jedoch im Nachhinein herausstellt, waren die wirtschaftlichen Prognosen falsch und der Verkauf der Kokerei ein großer Fehler: Inzwischen herrscht auf dem Weltmarkt ein enormer Mehrbedarf an Koks, nicht zuletzt durch die boomende Wirtschaft in China selbst. Der Preis pro Tonne Koks stieg in den Jahren nach der Stilllegung von Kaiserstuhl von 30 auf 550 Dollar “ als hätte die Globalisierung einen bitteren Sinn für Ironie und sich ausgerechnet Dortmund-Mitte für ihre Pointe ausgesucht.


CREDITS

Losers and Winners
Arbeit gehört zum Leben
Deutschland 2006
96 Min (DT, EN, CHI)

Untertitel: englisch, deutsch, spanisch, französisch, portugiesisch, chinesisch

Kurzfassung:
Verlieren und Gewinnen
für die Landeszentrale Politische Bildung
Deutschland 2006
35 Min

Drehbuch: Ulrike Franke, Michael Loeken
Kamera: Michael Loeken, Rüdiger Spott, Jörg Adams, Dieter Stürmer
Ton: Ulrike Franke, Csaba Kulcsar
Schnitt: Guido Krajewski, Timothy McLeish, Benjamin Ikes
Musik: Maciej Sledziecki
Produktion: Christian Fürst
Redaktion: Sabine Rollberg
Co-Produktion: WDR/arte, Goethe Institut
Förderung: Filmstiftung NRW