Göttliche Lage
Eine Stadt erfindet sich neu

DOKU | FILM | KINO

Deutschland 2014
99 Min (D)

Regie:  Ulrike Franke, Michael Loeken

Verleih: realfiction

Für Bildungs-Einrichtungen:

Auf einem ehemaligen Stahlwerksgelände in Dortmund wird über viele Jahre ein neuer Stadtteil gebaut. Den Mittelpunkt bildet ein künstlicher See, an dessen Ufern luxuriöse Wohnungen entstehen. Die Menschen, die um das ehemalige Stahlwerksgelände herum wohnen und dort arbeiteten, können sich das Wohnen am See nicht leisten. Über fünf Jahre vergehen, bis das einstige Stahlwerk einem See gewichen ist. Planer und Anwohner, Visionäre und Zweifler werden zu Gewinnern und Verlierern dessen, was man gesellschaftlichen Fortschritt nennt. Ein Film über den Wandel der Industrie- zur Freizeitgesellschaft.


TRAILER


AWARDS


FESTIVALS

2019 — Werkleitz Festivale Dessau / Modell und Ruine

2017 — archiciné: Saarart11 / Architekturfilmtage, Saarbrücken

2016 — World Film Festival / Tartu, Estland

2015 — 34. Festival International Jean Rouch, Paris

2015 — AFFR / Architecture Film Festival, Rotterdam

2015 — 27. Der Neue Heimatfilm / Freistadt, Österreich

2015 — Saratov Sufferings Intl. Film Festival / Saratow, Russland

2015 — MAFF / 13. Matsalu Loodusfilmide Festival / Lihula, Estland

2015 — Ruhrtriennale

2015 — Architektur. Film. Sommer, Wien

2015 — NaturVision Filmfestival, Ludwigsburg

2015 — Feuer und Stahl – Kino und Kunst im Kohlekahn, Köln/Saarbrücken/Dortmund

2015 — stattutopie, Basel

2015 — 6. Kirchliches Filmfestival, Recklinghausen

2015 — 8. Nonfiktionale / Festival des dokumetarischen Films, Bad Aibling

2015 — Berlinale / Lola / Berlin

2015 — DocPoint / 14. Helsinki Documentary Film Festival, Helsinki

2014 — Kasseler Dokfest / 31. Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest

2014 — 38. Duisburger Filmwoche / Eröffnungsfilm / Duisburg

2014 — DOK.fest / 29. Internationales Dokumentarfilmfestival München

2014 — Rooftop Films, New York

2014 — 25. Kinofest Lünen

2023  — Ruhrtriennale / Filmretrospektive loekenfranke / Bochum


SYMPOSIEN / VORTRÄGE

im Rahmen von

2020 — MetroLab Movie Night, Wien

2020 — Reihe / Futur III / Theater Dortmund

2019 — IBA Film Screenings, Wien

2019 — Architekturfilm-Reihe / Architektur und Glück, Haus der Architektur, Köln

2019 — Filmreihe / Überleben in Zeiten des Kapitalismus / Niehlerfreiheit e.V., Köln

2019 — Filmreihe / Kunst- und Architekturfilmen der Vereinigung Kunstschaffende Unterfrankens (VKU), Würzburg

2016 — Symposium / Water Power / Universität Tampere, Finnland

2015 — Symposium / DOKU.ARTS / Dokumentarische Langzeitbeobachtungen, Berlin

2015 — Schulkinowochen in NRW & Niedersachsen

2015 — Zeitraffer Phönixsee

2015 — Ausstellung / 100 Jahre Westfalen / Museum für Kunst und Kultur Dortmund

2015 — Filmreihe / Forging the Future / Goethe Institut Washington, USA

2015 — Offene FH Dortmund

2014 — Reihe Allerweltskino / Sonderreihe / Zukunft der Stadt, Köln

2014 — NRW Kinotag

2014 — Filmoteca de Catalunya Barcelona


PRESSESTIMMEN

„Der Film diagnostiziert nicht – er beobachtet, dringt tief in die unterschiedlichsten Milieus und Szenen vor und überlässt die Schlussfolgerungen dem Zuschauer. Unfassbar, will der immer wieder rufen. Keine Polemik, keine Spielszene könnte diese Geschichte so schräg, so komisch, so eindrucksvoll erzählen, wie es die Wirklichkeit selbst tut. Man muss sie nur gut beobachten.“
Harald Jähner // Frankfurter Rundschau
// 23.08.2014

„Franke und Loeken werten und gewichten nicht. Jede Geschichte und jede Begegnung ist erst einmal eine weitere Facette, ein kleines Puzzleteil, das wie selbstverständlich seinen Platz im Ganzen findet. (…) Ulrike Frankes und Michael Loekens Dokumentation erzählt auf unspektakuläre und doch höchst eindringliche Weise vom Strukturwandel im Ruhrgebiet. Modebegriffe wie „Gentrifizierung“ und Formeln wie die „vom Ende der Arbeit“ bekommen angesichts der Bilder und Geschichten vom See aus der Retorte eine konkrete Dimension und damit auch eine andere Bedeutung.“
www.filmkritik.de // Sascha Westphal

„Sehr nah kommt der Film den handelnden, den einfach nur dort lebenden Menschen, dass der Eindruck entsteht: Sie haben die Kamera vergessen über die Jahre. Loeken und Franke aber haben genau hingesehen, sie hören zu, lassen Dortmund reden. Was sie zeigen, ist mehr als der Bau eines Stadtsees im Zeitraffer: Sie setzen Begriffe wie „Deindustrialisierung“ und „Gentrifizierung“ ins Bild, machen bewusst, was beides mit Menschen macht.“
Annika Fischer // WAZ // 17.08.2014

„Göttliche Lage erzählt seine Geschichte völlig unaufgeregt und mit einer wohltuenden Ruhe, ohne zu urteilen und ohne Schwarz-Weiß-Malerei. Eine Kritik am System der Planung ist immer spürbar, wird aber nie plakativ zum Ausdruck gebracht.“
Jurybegründung FBW-Prädikat „besonders wertvoll“

“Kaum je ist das Schlagwort von der Gentrifizierung so hautnah begreiflich geworden wie in diesen chronologischen Streiflichtern auf migrantische Einheimische und Malocher auf der einen und Vermarkter und solvente Zugezogene auf der anderen Seite. Der Film, der ohne OFF‐Kommentar auskommt, ergreift nie Partei, verdichtet aber mit intelligenter Montage die Kluft zwischen den Heile‐Welt‐Träumen der Neubürger und der Realität.”
Birgit Roschy // Publik Forum // 29.08.2014

„Göttliche Lage“ besichtigt, höchst anschaulich, die postindustriellen Lebenswelten des Ruhrgebiets, wobei die Dinge unkommentiert für sich sprechen. Zu sehen und zu hören gibt es genug, denn Franke und Loeken durften das Bauprojekt in allen Phasen und auch bei internen Besprechungen begleiten. Diese ungewöhnlich offenen Einblicke in den Kosmos der Bauleute machen „Göttliche Lage“ auch zu einem – oft komischen – Lehrstück darüber, wie marketingorientiertes Denken längst auch öffentliche Großprojekte bestimmt.“
Silvia Hallensleben//tagesspiegel.de//21.08.2014

„Die Dokumentarfilmer Ulrike Franke und Michael Loeken spüren in „Göttliche Lage – eine Stadt erfindet sich neu“ mit sensibler Bildführung und in einfühlsamen Interviews auf, wie viel Konfliktpotential dieser städtebauliche Umbruch letztendlich hinterlassen hat – trotz aller Euphorie über den neuen Phoenixsee. (…) Regisseurin Ulrike Franke lässt vor der Kamera alle Seiten zu Wort kommen, montiert das Gesehen und Gehörte wie ein Sittengemälde: Verzweiflung, Zweifel, Bitterkeit, aber auch Aufbruchsstimmung und Stolz schwingen in den sehr persönlichen Statements mit. Man meint, die Befragten hätten die Kamera von Michael Loeken völlig vergessen.“
Deutsche Welle // 21.08.2014

„Dem Film gelingt es gesellschaftlich relevante und komplexe Prozesse auf unterhaltsame Weise begreifbar zu machen. Themen wie der radikale Strukturwandel dem nicht nur das Ruhrgebiet unterliegt, der Prozess der Gentrifizierung und die Frage nach dem Gemeinwohl des öffentlichen Raumes werden für den Zuschauer durch präzise Beobachtungen physisch erfahrbar gemacht. Mit Augenzwinkern bekommen wir überraschende Einblicke in die verschiedensten sozialen Gruppierungen, die in diesem Prozess involviert sind. Dabei bleibt die kritische Haltung der beiden Filmemacher Ulrike Franke und Michael Loeken steht ́s klar erkennbar. Langwierige Veränderungen und unterschiedlichste Befindlichkeiten aus beinahe fünf Jahren vom Ort des Geschehens – dem Schauplatz Phönix See – werden hier zu einer spannenden, charmanten und vielschichtigen filmischen Erzählung montiert, die eine präzise Handschrift trägt.“
Jurybegründung Nonfiktionale 2015 // Hauptpreis

„Göttliche Lage ist ein großartiges Lehrstück, mit wunderbarem Gespür für die sozialen Umbrüche, mit klarem Auge für das, was vor sich geht. Und mit Humor, was bei Dokumentarfilmen eine eher seltene Zuschreibung ist. Der Film lässt uns in jeder Hinsicht – intellektuell wie visuell – begreifen, was Strukturwandel bedeutet.“
„Göttliche Lage“ lässt sich auch als eine Beschreibung des Lebens als angewandter Surrealismus lesen, als Komödie mit grotesken und absurden Momenten. Die anarchistischen Kanadagänse, die in den Planungen nicht vorgesehen waren, aber vorzeitig das Ufer besiedeln und den Planern in ihren glasklar-sauberen See scheißen. Die Wildbader und Wildgriller, gegen die offenbar auch mit einem Massenaufgebot an Verbotsschildern nicht anzukommen ist. Und dann haben Stadt und Entwicklungsgesellschaft zur Eröffnung auch noch Larry Hagman eingeladen, den Boss aus „Dallas“, der offensichtlich schon nicht mehr weiß, was er hier eigentlich soll: Vergangenheit soll in die Zukunft führen. Man sieht das alles und denkt: Einfach irre.“
Jurybegründung Grimme-Preis 20


STILLS


SYNOPSIS

Februar 2008, Dortmund-Hörde. Eine Stadt im Ruhrgebiet, bis April 2001 einer der wichtigsten Stahlstandorte der Welt. Das riesige Gelände des Stahlwerkes Phoenix-Ost, das aussieht wie eine Mondlandschaft, soll in etwa zwei Jahren ein See sein, mit einer Marina und einer Piazza, die die Menschen aufatmen lassen. In hochwertigen Häusern und Bürogebäuden werden sie direkt am Wasser wohnen und arbeiten.

Das gesamte Ruhrgebiet hatte in den vergangenen Jahrzehnten den massiven und zugleich schleichenden Strukturwandel der Deindustrialisierung zu stemmen. Ausgedehnte Flächen, auf denen früher Hochöfen, Kokereien oder Stahlwerke Tag und Nacht in Betrieb waren, stehen mittlerweile leer und prägen die Stadtbilder. Die Bevölkerungszahlen gehen zurück, Menschen werden älter und die Gesellschaft bunter. Den alten Dortmunder Arbeiterstadtteil Hörde ereilt mit Arbeitslosigkeit, städtebaulichem Verfall und allgemeiner Perspektivlosigkeit das Schicksal vieler ehemaliger Industriestandorte in Europa und Nordamerika. Lethargie macht sich breit. Das Gespenst der schrumpfenden Städte geht um.

Doch schon bald nach dem Ende der Stahlindustrie werden die Bürger von Hörde durch die Visionen einiger vorausblickender Männer und Frauen aus den Planungsstäben der Stadt geweckt. In den Beschreibungen des Zukunftsprojektes ist nicht mehr von harter Arbeit die Rede, von Stahlwerk, Umweltverschmutzung oder Lärm. Die Stichworte lauten jetzt Freizeit und Erholung, Dienstleistungsgesellschaft und mediterraner Flair. Eine Idee ist geboren, die den Menschen eine nachhaltige Zukunft bieten soll. Kein bis dato typisches Ruhrgebietsszenario ist in den Plänen und Köpfen der PHOENIX See Entwicklungsgesellschaft mehr vorgesehen. Stattdessen soll ein harmonisches Nebeneinander von hochwertiger Wohnbebauung und renaturierter Landschaft entstehen, in der Freizeit und Arbeiten keinen Gegensatz bilden.

Jeder will dabei sein, beim Aufbruch in die neue Zeit. Eine Straße am Rande der Großbaustelle. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Häuser heruntergekommen und in einem schlechten Zustand. Jahrzehntelang haben Umweltverschmutzung, Abgase, Staub und Dreck an den Fassaden genagt. Einige stehen leer, die Fenster vernagelt. Billiger Wohnraum, den inzwischen untere Einkommensschichten und Verlierer des Strukturwandels nutzen. Sie wohnen seit Generationen hier, haben das Stahlwerk kommen und gehen sehen.

Hier bangt die Kioskbesitzerin Anna um Kunden, plauscht der Stadtteilpolizist Wegner mit seinen Schäfchen, während am Bauzaun die Kiebitze den Fortschritt der Bagger und Abrissbirnen kommentieren. Am Infopoint zeichnet Ursula Klischan, gerade zurück von der letzten Marketingsitzung, farbenfrohe Bilder aus Matsch und Phantasie, während am gegenüberliegenden Ufer Willi Garth, einer der letzten Retter der Hörder Thomasbirne, für das Begreifen der nicht minder von Menschenhand geschaffenen Vergangenheit kämpft. So beginnt für viele eine kleine Reise in eine große Zukunft.

Werden die neuen Bewohner in ihren Seehäusern daran teilhaben? Von ihren Baugrundstücken aus können sie zum zukünftigen Ufer blicken. Die angrenzenden Wohngebiete müssen aufgewertet und „sozial stabilisiert“ werden. Planer und Entwickler wollen eine neue Stadt – mit neuen Menschen. Wie Phönix aus der Asche soll Hörde dabei wieder neu erstehen. Der Vogel ist Sinnbild für einen rasanten Aufstieg nach einem Fall oder einer Niederlage. Diesem Bild sind die Stadtplaner verhaftet, wenn sie den Erfolg des Vorhabens zu untermauern und die positive Dynamik ihrer Pläne zu unterstreichen suchen.

Wenn der See erst einmal geflutet ist, dann muss man schnell handeln, nichts darf schief gehen. Immerhin stecken in dem Projekt 300 Millionen Euro. Man will sich im globalen Markt positionieren, das neue, moderne Dortmund bauen. Die eine Gewissheit stets im Hinterkopf: Der Markt wird’s regeln!


CREDITS

Göttliche Lage
Eine Stadt erfindet sich neu
Deutschland 2014
99 Min (D)

Divine Location
Germany 2014
99 Min (OmU englisch)

Drehbuch: Ulrike Franke, Michael Loeken
Kamera: Jörg Adams, Michael Loeken, Dieter Stürmer
Ton: Filipp Forberg, Axel Schmidt
Schnitt: Bert Schmidt
Musik: Eike Hosenfeld, Moritz Denis, Tim Stanzel
Redaktion: Sabine Rollberg, Jutta Krug
Co-Produktion: WDR/arte
Förderung: Film- und Medienstiftung NRW, BKM, DFF